Editorial

von Max Grüntgens und Dominik Kasper

Liebe Leserinnen und Leser,

nach leichter Verzögerung und arbeitsreichem Studien- wie Redaktionsendspurt freuen wir uns, die fünfte Ausgabe von Skriptum präsentieren zu können. Mittlerweile können wir neben einem breiten Repertoire unterschiedlichster Themen und Rubriken auf etwas über zweieinhalb ereignis- und erfahrungsreiche Jahre zurückblicken. Das Projekt ist über die Jahre vom Anspruch wie personell gewachsen, wir haben viele Kooperationspartner und Unterstützung gewonnen und auch der Komplex „studentisches Publizieren“ im Allgemeinen ist kein Nischenprodukt mehr und geht einer vielversprechenden Zukunft entgegen, wie bspw. der Artikel von Andreas C. Hofmann zeigt. Wir sind gespannt auf das, was die Zukunft an Entwicklungen bringt!

Die fünfte Ausgabe startet mit einem Blick in die Historikerwerkstatt: Lisa Rübeling und Anna Kieburg berichten in ihrem mit persönlicher Note geschriebenen Essay über ihr Engagement im Bereich der Museumspädagogik. Dabei zeichnen die Autorinnen ihren eigenen Weg aus dem universitären Hörsaal in die abwechslungsreiche Welt des Museums nach, reflektieren über ihre Erfahrungen und geben Hinweise für interessierte Studierende nicht nur der Altertumswissenschaften.

In ihrem Essay Visionäre und Geschichtswissenschaften im ‚digitalen Zeitalter‘ geben Max Grüntgens und Dominik Kasper einen pointierten Überblick über die Geschichte des digitalen Wandels in den Geschichtswissenschaften. Der Beitrag orientiert sich hierbei an ‚visionären‘ Einzelpersonen – wie Carl August Lückenrath oder Vannevar Bush –, welche die Entwicklung der ‚Digitalen Geschichtswissenschaften‘ prägten, immer noch prägen oder bis heute auf eine konstruktive Rezeption warten, und basiert auf einem Vortrag, der am 28.01.2012 während der studentischen Tagung „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ der Fachschaft Geschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gehalten wurde. Die Autoren schlagen in ihren Überlegungen die Brücke über die ‚Vision‘ hinter Skriptum und dem Komplex „studentisches Publizieren“ zu der an Manfred Thaller angelehnten Konzeption einer ‚historischen Workstation‘ und versuchen damit die für uns immer noch interessanten Aspekte der Diskussionen zu betonen und die verschiedenen Konzepte gleichzeitig wie einen konzeptuellen Spiegel zu gebrauchen, an dem die eigenen Visionen und Entwicklungen gemessen werden können.

Tristan Stefan Schmidt beschäftigt sich in seiner Untersuchung Der Xenon des Pantokratorklosters in Konstantinopel – Standard oder Ideal? mit Krankenpflegeeinrichtungen im byzantinischen Reich. Die Diskussion gruppiert sich thematisch um den sogenannten ‚Xenon‘ des Pantokratorklosters, eine Krankenpflegeeinrichtung, die laut der Gründungsurkunde materiell wie personell sehr gut ausgestattet war und über einen hohen medizinischen Spezialisierungsgrad verfügte. Anhand der Quellen und der bisherigen Forschung fragt Schmidt inwieweit die geschilderte Ausstattung dem zeitgenössischen Durchschnitt entsprochen hat und versucht sich durch den Vergleich mit ähnlichen Einrichtungen an einer Einordnung in den Kontext des damaligen Krankenpflegewesens im byzantinischen Reich. Eingewoben in die Diskussion wird zudem die Frage nach der Nutzung des Ortes als Memorial- und Begräbnisort des Kaiserhauses sowie nach der Zurschaustellung kaiserlicher Philantropie, welche mit dem Xenon in unmittelbarem Zusammenhang gestanden haben dürfte.

Eine quellennahe Studie zum historischen Bild des jungen Zaren Ivan IV., genannt „der Schreckliche“, legt Jelena Menderetska mit ihrem Beitrag Ivan IV. – Kindheit und Jugend des „schrecklichen“ Zaren – Eine Untersuchung der Darstellung des jungen Zaren in der Frühen Neuzeit und die Beeinflussung des Geschichtsbewusstseins über den Zaren durch das Medium Film vor. Erfreulich ist, dass wir erstmals einen Beitrag aus der Forschung zur osteuropäischen Geschichte präsentieren können. Abgerundet wird Menderetskas Beitrag durch einen Ausblick zur (historischen) Geschichtskultur um den russischen Monarchen, dessen Wahrnehmung in der gegenwärtigen Öffentlichkeit vorwiegend durch Verfilmungen (z. B. von Klassikern wie „Ivan Groznyj“ von Sergej Ejzenštejn als auch moderne Verfilmungen aus den letzten Jahren) seines Lebens und Wirkens geprägt ist.

In seinem Artikel Der Deutsche Orden im 17.und 18. Jahrhundert. Ein Hausorden Habsburgs? versucht Frank Hüther zu zeigen, dass der Frieden von Preßburg (1805) nur eine Ordnung rechtlich festschrieb, die bereits mehrere hundert Jahre stillschweigend galt. Exemplarisch orientiert sich Hüther hierbei an den Hochmeistern Leopold Wilhelm (1641-1662) und Karl Alexander von Lothringen (1761-1780). In seiner Untersuchung versucht der Autor zu zeigen, dass bereits diese zwei Hochmeister das Wohl Habsburgs über das des Deutschen Ordens stellten und diesen damit de facto als ‚Hausorden‘ einstuften.

Ruth Nientiedt arbeitet interdisziplinär: In ihrem Artikel „lauter Erfahrungs-Sachen“ – Gerhard Tersteegens Lied „Gott ist gegenwärtig“ – Bedeutung und Rezeption bringt sie historische, literatur- und sprachwissenschaftliche sowie theologische, insbesondere liturgische Perspektiven zusammen, indem sie exemplarisch die Möglichkeiten der Hymnologie und Gesangbuchforschung aufzeigt und gleichzeitig Tersteegens überkonfessionelle Bedeutung als Mystiker herausarbeiten. Dazu werden zunächst zentrale Begrifflichkeiten umrissen und in ihrem reziproken Bezug eingeordnet. Anknüpfend fragt sie nach Möglichkeiten der Einordnung Tersteegens in die herausgearbeiteten Kategorien. Zuletzt werden mögliche Interpretationen seines Liedes Gott ist gegenwärtig ins Gespräch gebracht und seine Rezeption in anderen Gesangbüchern nachgezeichnet. Der Rezeptionsgeschichte wird auf Grundlage der Bestände des Gesangbucharchivs des IAK Gesangbuchforschung nachgegangen.

Miriam Breß befasst sich in ihrem Artikel „‚…wie die Zigeuner‘ Das Feindbild ‚Zigeuner‘ bei Luther“ mit der negativen Wahrnehmung von Sinti und Roma und stellt die Frage nach dem Grund für den über Jahrhunderte hinweg und bis heute existierenden Antiziganismus in Europa. Im Zentrum ihrer Analyse stehen vor allem die Schriften Martin Luthers. Die zahlreichen Schriften des Reformators prägten das Weltbild der Menschen in hohem Maße und könnten auf diese Weise Indizien für die Entstehung der zahlreichen Verurteile gegenüber der Minderheit liefern. Die tradierten Vorstellungen von dem ‚Zigeuner‘ werden unter Beachtung theologischer und sozialpsychologischer Hintergründe über Gruppenbildungsprozesse und Ausschlussmechanismen vorgestellt und besprochen, sodass schließlich die Rolle, welche Martin Luther für die Entstehung des Feinbildes ‚Zigeuner‘ in der Frühen Neuzeit spielte, umrissen werden kann.

Die Ausgabe schließt mit zwei Rezensionen: Beatrix Obal rezensierte Thorsten Hindrichs Monographie Zwischen ‚leerer Klimperey‘ und ‚wirklicher Kunst‘. Gitarrenmusik in Deutschland um 1800 die 2012 im Waxmann-Verlag erschienen ist. Die Rezensentin hebt hervor, dass es Hindrichs nicht nur darum geht, eine Lücke in der physischen Überlieferung von Musikalien und anderen Dokumenten zu schließen, sondern vor allem, diese bislang von der musikwissenschaftlichen Forschung weitgehend ignorierten Zeitspanne von 1788 bis 1802 aufzuarbeiten. Als richtungsweisend wirkt dabei der Titel der Dissertation „zwischen leerer Klimperey“ und „wahrer Kunst“: In diesem Spannungsfeld zeitgenössischer Musiktheorie und -ästhetik analysiert Hindrichs 11 Kompositionen und Lebensentwürfe von insgesamt 16 Gitarrenmusikern im Kontext des historischen Begriffes der ‚Bürgerlichkeit‘.

In einer weiteren Rezension bespricht Katharina Wurst Markus Würz Dissertationsschrift Kampfzeit unter französischen Bajonetten. Die NSDAP in Rheinhessen in der Weimarer Republik. Die Rezensentin hebt hierbei Würz dichte und detailreiche Analyse zum Nationalsozialismus im Spannungsfeld mit der französischen Besatzung im Raum Rheinhessen hervor, lässt jedoch auch Kritikpunkte nicht aus: So werde nur in Ansätzen auf die in der Einleitung angekündigte Perspektive der in den besetzten Gebieten lebenden Menschen eingegangen; auch bliebe ein Vergleich zu den unbesetzten Gebieten generell aus. Auch wenn diese Punkte den Rahmen der Dissertation wohl gesprengt hätten, wäre doch – der Rezensentin zufolge – ein gesondertes, vergleichend angelegtes Kapitel, das Entwicklungstendenzen in anderen Gebieten skizziert, wünschenswert gewesen, um eine gesamtdeutsche Einordnung zu ermöglichen.

Das Heft schließt mit einem Vereinsbericht des Vereins der Freunde der Geschichtswissenschaften an der Universität Mainz e. V. von Lars Beißwenger. Neben einer Vorstellung der Geschichte sowie der grundlegenden Intention des Vereins, stellt Beißwenger die unterschiedlichen und breit angelegten Tätigkeiten des Vereins im Umfeld der Geschichtswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz heraus: Diese reichen von Buchbeschaffungen über Organisation von Vorlesungsreihen bis zur Übernahme der Servermiete von Skriptum.

Herausgeber und Redaktion wünschen allen Leserinnen und Lesern von Skriptum eine angenehme und ansprechende Lektüre,

Max Grüntgens und Dominik Kasper

Mainz, den 17. Mai 2013

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Zitationshinweis:

Max Grüntgens und Dominik Kasper: Vorwort der Herausgeber, in: Skriptum 3 (2013), Nr. 1, URN: urn:nbn:de:0289-2013051704, Abs. XY [Datum des Zugriffes].