Seminararbeit: Der Deutsche Orden im 17.und 18. Jahrhundert. Ein Hausorden Habsburgs?

von Frank Hüther



Zusammenfassung

Der Deutsche Orden gilt seit dem Frieden von Preßburg (1805) als ein Hausorden des Geschlechts der Habsburger. Die vorliegende Arbeit versucht zu zeigen, dass diese Regelung nur eine Ordnung rechtlich festschreibt, die bereits mehrere hundert Jahre stillschweigend galt. Exemplarisch wird dies an den Hochmeistern Leopold Wilhelm (1641-1662) und Karl Alexander von Lothringen (1761-1780) gezeigt, da sie in ihrer Meisterschaft beide bereits das Wohl Habsburgs über das des Deutschen Ordens stellten.

Abstract

The Teutonic Order is considered to have come under the control of the Habsburg Dynasty after the Peace of Pressburg (1805). This Essay tries to illustrate that this reorganisation, following a several centuries old tradition, was only formally new. Examples for this tradition are the Grandmasters Leopold Wilhelm (1641-1662) and Karl Alexander of Lorraine (1761-1780), whose administration put the wellbeing of the Habsburg Dynasty above the needs of the Teutonic Order.

Résumé

Depuis le traité de Presbourg (1805) l’ordre des Chevaliers teutoniques a été presque exclusivement sous tutelle de la Maison de Habsbourg. Dans le texte suivant l’auteur essaye de montrer, que cet fait avait tacitement existé plusieurs siècles avant l’établissement d’une règle fixée.

Leopold Wilhelm (1641–1662) et Karl Alexander von Lothringen (1761–1780) sont cités en exemple, parce qu’ils se chargeaient plus du bien-être de la Maison Habsbourg que de celui de l’ordre des Chevaliers teutoniques.

Einleitung

‹1›Die Würde eines Großmeisters des deutschen Ordens, die Gerechtsame, Domainen und Einkünfte, welche vor dem gegenwätigen Kriege, von Mergentheim, als dem Hauptorte besagten Ordens, dependirten, alle übrigen Gerechtsamen, Domainen und Einkünfte, welche zur Zeit der Auswechselung dieses Traktats mit dem Großmeisterthum verbunden sind, desgleichen alle Domainen und Einkünfte, in deren Besitz sich zu der nämlichen Zeit der besagte Orden befinden wird, sollen demjenigen Prinzen des kaiserlichen Hauses, welchen Se. Majestät der Kaiser von Deutschland und Österreich ernennen wird, in der Person und in jeder männlichen Linie nach dem Erstgeburtsrechte erblich überlassen werden.1)

‹2›Mit der hier zitierten Passage aus dem Frieden von Preßburg (1805) wurde der Deutsche Orden per Dekret zum Hausorden der Habsburgerdynastie. Schon im Mittelalter schmiegte sich der Orden der Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem eng an eine amtierende Herrscherdynastie an und entwickelte sich fast zu einem Hausorden der Staufer, erreichte diesen Status jedoch nicht.2) Dies lässt eine generelle Herrschernähe des Ordens vermuten, die im Folgenden weiter zu untersuchen sein wird.

‹3›Es stellt sich dabei insbesondere die Frage, ob der Deutsche Orden bereits im 17. und 18. Jahrhundert zum habsburgischen Hausorden und Nachkommensversorger degradiert wurde, der nur eine nahezu erbliche Pfründe für die habsburgischen Erzherzöge darstellte, oder ob der Friede von Preßburg nicht nur einen bereits üblich gewordenen Zustand rechtlich festschrieb. Die vorliegende Arbeit wird dieser Frage nachgehen, so wie der Frage nachgehen und die Vorteile aufzeigen die Habsburg im 17. und 18. Jahrhundert durch eine Hegemonie im Deutschen Orden ergeben hätten. Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich hierbei von 1641 bis 1780, beginnt also mit dem Antritt des Hochmeisters Leopold Wilhelm von Österreich und endet mit dem Tod des Hochmeisters Karl Alexander von Lothringen. Diese beiden Persönlichkeiten und ihre Regentschaft werden exemplarisch behandelt, um die Entwicklung des Deutschen Ordens zum habsburgischen Hausorden zu prüfen, da sie ihn an historischen Wendepunkten wie während des Dreißigjährigen Krieges und während der Türkenkriege führten.

‹4› Die allgemeine Geschichte des Deutschen Ordens wurde Thema zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen. Diese beschäftigten sich meist mit dem livländischen Ordensstaat und der Ordensgeschichte bis zur Schlacht von Tannenberg 1410.3) Gerade jedoch die Ereignisse des 17. und 18. Jahrhunderts werden meist nur schemenhaft umrissen. Es lässt sich vermuten, dass die abnehmende Bedeutung des Ordens in dieser Zeit auch zu gesunkenem Forschungsinteresse beigetragen hat, da zu dieser Zeit der eigentliche Ordensstaat längst nicht mehr bestand.

Die Struktur des Deutschen Ordens und die Geostrategie Habsburgs

‹5› Der Deutsche Orden, gegründet 1190 vor Akkon, war einer der mächtigsten Ritterorden des Heiligen Römischen Reiches. Um zu ermitteln, ob der Orden Teil der habsburgischen Machtpolitik wurde, gilt es im Folgenden die Rolle des Hochmeisters zu analysieren, sowie die geostrategischen und machtpolitischen Ambitionen Habsburgs zu beschreiben. So lässt sich erkennen, welche Handlungsspielräume der Hochmeister des Ordens überhaupt hatte und für welche habsburgischen Interessen er sich hätte verwenden können.

Der Hoch- und Deutschmeister

‹6› Schon seit Gründung des Ordens wurden die Deutschen Herren von einem Hochmeister geführt.4) Dieser wurde auf Lebenszeit gewählt5) und vertrat den Orden nach außen hin. Mit der Gründung des livländischen Ordensstaates verlegte der Hochmeister 1309 seine Residenz aus dem Mittelmeerraum an die Ostsee auf die Marienburg.6) Er herrschte von dort über weite Teile des Baltikums und des heutigen Polens. Jedoch besaß der Orden nicht nur im Osten große Besitzungen. Auch im Heiligen Römischen Reich gab es, vor allem in Thüringen, große Gebiete. Zusammengefasst wurden diese jeweils nach Balleien, die von einem Landkomtur verwaltet wurden. Die Balleien im Reich wurden von einem Deutschmeister administriert, welcher seit Ende des 15. Jahrhunderts zu den Reichsfürsten zählte7), und somit in die politischen Geschicke des Reiches integriert war. Ihm unterstanden aber nicht alle Ordensgebiete innerhalb des Reiches. Die Ausnahme bildeten die sogenannten Kammerballeien, welche dem Hochmeister direkt unterordnet waren. Hierzu zählten die Balleien Böhmen, Elsaß-Burgund, Koblenz und Österreich. All diese Balleien lieferten ihre Abgaben direkt an den Hochmeister und legten somit einen Grundstein für dessen Schatzkammer. Teilweise erfolgten diese Abgaben in Naturalien. So versorgte die Kammerballei Koblenz den Keller des Hochmeisters mit Wein.8)

‹7› Auffallend ist hierbei, dass die genannten Gebiete zu den ertragreichsten Regionen im Reich gehörten.9) Allerdings wurden die Balleien nicht gezielt aufgrund ihres Ertrages zur Kammerballei erhoben, was sich vor allem an der Ballei Elsaß-Burgund zeigt. Diese wurde erst zur Kammerballei erhoben, nachdem der Deutschmeister sie als Pfand für finanzielle Unterstützung an den Hochmeister gab, sie allerdings nie mehr auslöste.10)

‹8› Betrachtet man die Lage dieser Kammerballeien, so zeigen sie eine günstige geostrategische Lage. Die Balleien Böhmen und Mähren lagen in habsburgische Besitzungen eingebettet am Rande des Reiches. Elsaß-Burgund verfügte vor allem über gute Weinbaugebiete. Die bereits erwähnte Kammerballei Koblenz sicherte ebenfalls durch ihre Weinlieferung nicht nur die standesgemäße Repräsentation des Hochmeisters, sondern lag auch an einer Schlüsselstelle des Rheins, wo sich Transport- und Informationswege kreuzten und der Kurfürst von Trier residierte.

‹9› Nach dem Verlust des Ordensstaates wurde der Sitz nach Mergentheim verlegt. Den Anspruch auf die preußischen Besitzungen sollte der Orden aber bis zum Frieden von Preßburg niemals ganz aufgeben, sondern diesen noch lange in seine Ambitionen einbinden. Zwar verfügte der Orden nach dem Verlust des Ordensstaates 1561 im Reich immer noch über ansehnliche Besitzungen, die einträglichsten Gebiete waren jedoch verloren, da er im Ordensstaat meist die kompletten Herrschaftsrechte unter seiner Obhut gehabt hatte. Im Reich besaß der Orden nur wenige geschlossene Gebiete und auch die Herrenrechte teilte er in den meisten Fällen mit anderen Fürsten.

Die Aufwertung des Hochmeisteramts

‹10› Mit der Neuorientierung in die Peripherie des Reiches erhob der Deutschmeister Anspruch auf das Hochmeisteramt, was zu einer Verschmelzung beider Titel führte.11) Der nun Hoch- und Deutschmeister genannte Ordensvorsteher vereinte also sowohl die Kontrolle über die Kammerballeien, als auch die Reichsfürstenstimme in seiner Hand und gewann so für Anwärter auf dieses Amt enorm an Attraktivität. Um den Kampf gegen die Heiden wieder zu intensivieren, wurde allen neuen Ritterbrüdern ab 1606 ein dreijähriger Waffendienst auferlegt, welcher bevorzugt an der ungarisch/osmanischen Grenze abgeleistet werden sollte.12) Ab 1696 unterstand dem Hochmeister sogar ein eigene Infanterieregiment, genannt Deutschmeister, das meist vom Hochmeister im kaiserlichen Interesse eingesetzt wurde. Zur Heerfolge war der Deutschmeister als Reichsfürst ohnehin verpflichtet, allerdings betrachteten die Befehlshaber des Regiments den Dienst an Kaiser und Reich auch stets als Kampf gegen das Heidentum. Die Osmanen bedrohten dauerhaft das Reich und, wie in der Belagerung von Wien 1683 kurz zuvor bewiesen, die erzherzoglichen Erblande. So kam der Orden nach einer langen Periode der Kampflosigkeit seinem Stiftungszweck, dem Kampf gegen die Heiden,13) durch die Regimentsgründung wieder näher. Diesmal jedoch nicht durch Mission mit dem Schwert, sondern als Bewahrer des christlichen (Kaiser)Reiches.

‹11› Die Position des Hochmeisters war aufgrund „seiner Stellung als geistlicher Fürst des Reiches und des Fränkisches Kreises und auch als zusätzliche Versorgungsgrundlage“14) sowohl für Einzelpersonen als auch für Adelshäuser attraktiv. Die vielzähligen Vorteile dieser Stellung dürften für unterschiedliche Häuser verschieden relevant gewesen sein. Doch für das Haus Österreich15) waren alle drei von Interesse: Die Möglichkeit, nachgeborene Söhne im geistlichen Stand so unterzubringen, dass sie eventuell später aus dynastischen Gründen reaktiviert werden konnten, war aufgrund der stets kleinen Zahl an männlichen Habsburgern sehr attraktiv.16) Auch weitere Stimmen im Reichstag, sei es durch geistliche oder weltliche Stimmmänner, konnten nur helfen, die nicht immer gewaltige Hausmacht der habsburgischen Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu stärken.

Habsburgische Ambitionen und Bestrebungen

‹12› Wie bereits angedeutet, verfolgten die meisten Adelshäuser in der Frühneuzeit eine gezielte Familienpolitik – so auch das Haus Habsburg. Diese sollte nicht nur den Fortbestand des Hauses sichern, sondern auch den für die Familie größtmöglichen Einfluss geltend machen.17)

‹13› Die Möglichkeiten der österreichischen Habsburger, sich in Schlüsselpositionen des Heiligen Römischen Reiches längerfristig zu etablieren, waren der Familie nicht immer gegeben. Zwar stellten sie so viele Kaiser und Könige des Reiches wie kein anderes Geschlecht, trotzdem gelang es ihnen beispielsweise nicht eine geistlichen Kurwürde dauerhaft in Besitz zu nehmen.18) Auch konnten aufgrund des zeitweiligen Mangels an männlichen Nachkommen oft nur wenige, vor allem klerikale, Machtpositionen mit Familienmitgliedern besetzt werden. Gelang es einem Habsburger jedoch, ein Bistum zu gewinnen, vereinte er oft mehrere Pfründe in seiner Hand.19)

‹14› Durch die häufige Wahl eines Habsburgers zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches etablierte sich in der Familie ein besonderes Sendungsbewusstsein. Dieses zeigt sich schon zu Zeiten Maximilians I., dessen Ehrenpforte, welche „die Genealogie seines fürstlichen Hauses, die überhöhende Schilderung der eigenen politischen, militärischen und frommen Taten [zeigt]“20), den Zeitgenossen nicht nur ein großes Kunstwerk, sondern auch reichlich ambitionierte politische Pläne präsentierte. Eng mit diesem Sendungsbewusstsein verbunden war die sogenannte „Pietas Austriaca.“21) Diese als erblich dargestellte Frömmigkeit der Habsburger22) diente unter anderen der Legitimierung des habsburgischen Hauses durch Gottesgnade, brachte es aber auch in „ein[e] doppelt[e] religiös[e] Verteidigungsstellung“23), zum einen gegen den Protestantismus, zum anderen „gegen den islamischen ‚Erbfeind der Christenheit‘, die Türken.“24) Diese Verteidigungsstellung war allerdings in beiden Fällen ebenso ein Topos der Realpolitik. Hierbei stellte zwar auch der Protestantismus eine große Gefahr für die habsburgische Macht dar. Diese wurde aber in weit stärkerem Maße von der Ausdehnung des osmanischen Reichs bedroht, welchem es sowohl im 16., wie auch 17. Jahrhundert gelang, Wien zu belagern. Durch diese Ausdehnung waren also direkt die Hausbesitzungen Habsburgs bedroht. Dies galt vor allem für das Königreich Ungarn, welches zeitweilig besetzt war. Ein katholisch motivierter Abwehrkampf gegen die Osmanen konnte daher nur im geostrategischen Interesse des Erzhauses sein. Dieses katholische Motiv verlor zwar in der aufgeklärten Herrschaftskonzeption an Deutungsmacht. Wie Karl Vocelka feststellt, drang „dieses aufklärerische Gedankengut [...] jedoch in der Habsburgermonarchie nie voll durch.“25) Großen Einfluss auf den Deutschen Orden zu haben konnte also nur im Interesse des Erzhauses sein. Da dieser dem Kampf gegen die Heiden gewidmet war stand er für die selben Interessen, die auch die streng katholischen Habsburger vertraten.

Zwei Hochmeister in habsburgischen Diensten

Leopold Wilhelm von Österreich

‹15› Geboren 1614 als dritter Sohn des späteren Kaisers Ferdinand II, war Leopold Wilhelm von Österreich bereits zwölfjährig „einer der größten Ämterkumulierer seiner Zeit“26). So war er unter anderem Bischof von Passau, Halberstadt und Straßburg, sowie Fürstbischof von Murbach im Elsaß. Hier dehnte sich die Herrschaft über das Bistum Halberstadt den habsburgischen Besitz deutlich Richtung Preußen aus.

‹16› Bekannt wurde Leopold Wilhelm allerdings vornehmlich durch seine Tätigkeit als Kunstmäzen und seine damit verbundene große Sammlung,27) welche später in kaiserlichen Besitz überging. Bis 1642 diente er als kaiserlicher Generalissimus mit wechselndem Erfolg. 1639 erhielt Leopold Wilhelm den Ritterschlag und wurde, unter gleichzeitigem Beibehalt seiner Bischofswürde, zum Koadjutor des Deutschen Ordens ernannt. Ab 1642 bekleidete er das Amt des Hoch- und Deutschmeisters. Zwischen 1647 und 1656 war er Statthalter der Spanischen Niederlande.

‹17› Dieser „Pfründenjäger“28) trat 1642 sein Hochmeisteramt in einer Zeit an, in welcher Europa vom Sturm des Dreißigjährigen Krieges erschüttert wurde. Die Ordenskassen waren leer, große Landstriche, darunter auch Ordensbesitz, verheert. Dies dürfte auch einer der Gründe sein, warum Leopold Wilhelm nicht auf weitere Ämter verzichten musste. So blieben ihm noch andere Möglichkeiten, seine Repräsentation zu finanzieren.

‹18› Betrachtet man sein Wappen, so scheint das zentral platzierte Ordenskreuz recht dominant. Klar wird jedoch auch, dass dieser Titel längst nicht der einzige des Trägers ist. Dies lässt an einer hervorgehobenen Position des Hochmeistertitels Zweifel aufkommen, da er nur einer von vielen Titeln ist. Vielmehr zeigt sich ein Herrscher, dessen Besitz aus vielen einzelnen Teilen besteht, die ihm unterschiedlich wichtig zu sein schienen.

‹19› Diese bereits aus dem Wappen ableitbare Haltung legte der Erzherzog auch in seiner Regierung an den Tag. So berief er, obwohl der Orden sich in desolatem Zustand befand, in den 21 Jahren seiner Meisterschaft nur zweimal die höchste Ordensversammlung, das Generalkapitel, ein.29)In der Mergentheimer Ordenszentrale lässt sich die Anwesenheit Leopold Wilhelm nur einmal nachweisen.30) Dies weist auf kein sehr großes Interesse an den Ordensgeschäften hin, da der Orden zwar grundsätzlich von überall administriert werden konnte, eine straffe Führung der Geschicke aber unbedingt geographische Nähe erfordert hätte. Nur so wäre er immer direkt über die Belange des Ordens informiert gewesen und hätte durch seine Präsenz den Orden als Vorbild führen können. Sein Antritt der Statthalterschaft über die Spanischen Niederlande und seine Residenznahme dort zeigen, dass er sich eher im Sinne des Erzhauses verwendete und ihm die Arbeit für dieses wichtiger war, als den Orden zu lenken. Darüber hinaus dürfte das Amt des Statthalters für ihn auch größere Einflussmöglichkeiten bereitgehalten und ihm bessere finanzielle Einkünfte beschert haben als das Amt des Hoch- und Deutschmeisters, da die Niederlande durch ihre Position als Warenumschlagplatz sehr ertragreich waren und die Statthalterschaft in Brüssel zu dieser Zeit eine der anspruchsvollsten und ehrenvollsten politischen Aufgaben für nachgeborene Habsburger darstellte.31)

‹20› Spätestens seit der Kandidatur zur Kaiserwahl 1658, bei der er er als Gegenkandidat zum französischen König Ludwig XIV. auftrat, ließ Leopold Wilhelm keinen Zweifel daran, für Höheres berufen zu sein und dass „seine vielen geistlichen Würden und die militärische wie diplomatische Tätigkeit für sein Haus [...] ihm für den Orden keine Zeit [ließen].“32) Auch in seinen Bistümern ist seine Anwesenheit lediglich in Passau öfter nachzuweisen. Hier wandte er sich schriftlich an das Hochstift, um die Herrschaft selbst antreten zu dürfen.33) Jedoch dürfte die für ihn verkehrsgünstige Lage zu seiner etwas häufigeren Anwesenheit beigetragen haben.

‹21› Des Weiteren fällt in seine Regentschaft der Verlust der österreichischen Ordenskommenden. Bis 1648 wurden die Balleien Österreich und Etsch als eigene Kreisstände aufgeführt. Danach sucht man diese in den Auflistungen vergebens. Zwar sind die Umstände des Verlustes noch nicht ausreichend erforscht, es liegt aber nahe, dass mit diesem Provinzen „in der Zeit Leopold Wilhelms eine Art Mediatisierung erfolgt sein dürfte“34), wie der Historiker Udo Arnold vermutet. Die Ballei scheint also schleichend in weltlichen Besitz übergegangen zu sein, ohne dass man dies direkt bemerkte. Verstärkt wird dieser Verdacht durch die Visitationen, welche Leopold Wilhelm nach dem Ende der Kampfhandlungen anordnen ließ. Hierbei wurden alle Balleien visitiert, um die Kriegsschäden festzustellen, mit Ausnahme der Gebiete in Österreich und an der Etsch. Auch an diesen Gebieten gingen die Kriegshandlungen nicht spurlos vorüber. Es erschien Leopold aber wohl nicht mehr als seine Aufgabe die dort entstandenen Schäden feststellen zu lassen und zu beheben, sonst wären diese von ihm sicherlich besucht worden.

‹22› Insgesamt lässt sich über das Meistertum des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich sagen, dass es in ein schwieriges Kapitel der europäischen Geschichte fiel. Der Dreißigjährige Krieg zog ganz Europa in Mitleidenschaft und außer der fränkischen Ballei, welche für die Gründung eines Leibregimentes noch fünf bis sechstausend Taler hätte aufbringen können35), waren die Deutschordensballeien an den Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit angekommen. Auch die Trikonfessionalität schwächte den Orden. Die ständigen Reibereien zwischen Katholiken, Lutheranern und Calvinisten verkomplizierten die Ordensgeschäfte massiv. Um allen Konfessionen genüge zu tun, wurde in manchen Balleien die Landkomturwürde zwischen den Konfessionen gewechselt, was dort die Einflussnahme des lokalen Adels, der die Balleiadministration meist fest in den Händen hielt, erschwerte. Darüber hinaus mussten die protestantischen Brüder überzeugt werden, weiterhin auf Ehen zu verzichten und keusch zu leben. Diese Kompromisse mussten eingegangen werden, da sonst der weitere Bestand des Ordens massiv gefährdet gewesen wäre.

‹23› Wo der lokale Adel aber ungeachtet von konfessionellen Problemen weiter mühelos Einfluss nehmen konnte, sah er die Einnahme der Landkomturwürde, wie im Falle des Moritz von Sachsen über die Ballei Thüringen, zunehmend als erbliches Recht an.36) Dies führte zu heftigen Auseinandersetzungen mit dem Lokaladel um den Verbleib der Gebiete in Ordensbesitz. Die damit verbundene Machtlosigkeit des Ordens ist sicher ein Grund für das geringe Interesse des Erzherzogs an der Ordensadministration.

‹24› Daher sah er auch keine Notwendigkeit für regelmäßige Generalkapitel oder häufige Besuche im Amtssitz Mergentheim. Er ließ ihn von einem Vertreter verwalten. Allgemein scheint der Erzherzog auch bedingt durch seine Rolle als kaiserlicher Generalissimus „innerhalb des Deutschen Ordens eher die militärische Tradition“37) verkörpert zu haben. Sein einziges größeres Anliegen im Rahmen der Ordensgeschäfte blieb die Einrichtung eines „Leib Regiments zu Pferdt mit des löbl. Ordens und derselben mitglieder Hülff“38), welches mit ihrem Sammelplatz in den erzherzoglichen Erblanden unter Kommando der Deutschritter in der kaiserlichen Armee kämpfen sollte. So hätte der Erzherzog seine eigenen, in habsburgischem Interesse operierenden Truppen unterstützen können. Diese Gründung konnte jedoch aus Geldmangel nicht durchgeführt werden und wurde erst unter Franz Ludwig von Pfalz Neuburg realisiert. Gleichwohl ebnete Leopold Wilhelm in seinem letzten Generalkapitel den Weg für ein kaiserliches Exercitium. Die Ritterbrüder, die den kämpfenden Teil des Ordens darstellten, sollten sich dem Kaiser zur Verfügung stellen, falls das Ableisten des Kriegsdienstes nicht durch den Orden gewährleistet war.39) Der Beisetzungsort Leopold Wilhelms in der Wiener Kapuzinergruft zeigt einen Hochmeister, der sich eher in der Tradition seines Erzhauses denn als Vorsteher des Deutschen Ordens sah. Dem Haus ordnete er auch seine eigenen Interessen unter. Eine wirkliche Neigung zum geistlichen Amt hatte er, wenn er auch wie alle Habsburger sehr gläubig war, eher nicht.40)

‹25› Nach der Regentschaft des noch zu Lebzeiten von Leopold Wilhelm als Nachfolger durchgesetzten Karl Joseph von Österreich wurde die habsburgische Kontinuität für kurze Zeit unterbrochen. Von 1684 bis 1761 gelang es dem Haus Wittelsbach unter weiterhin habsburgischen Kaisern den Hoch- und Deutschmeister zu stellen, während der Orden unter Franz Ludwig von Pfalz Neuburg zu neuer Blüte fand. Unter den Wittelsbacher Hochmeistern ist jedoch keine vollkommene Umorientierung des Ordens zu erkennen. Viele Posten waren weiterhin mit Habsburgern besetzt, da die Administration meist lebenslänglich versehen wurde. Auch lagen die Interessen des Erzhauses nicht zwingend konträr zu den Interessen des Reiches, zu dessen Schutz der Hochmeister ohnehin verpflichtet war. Hieran lässt sich eine Kontinuität der Ordenspolitik erkennen. Konnte ein habsburgischer Kandidat die Meisterwürde nicht erringen, blieb der Orden in seiner Ausrichtung trotzdem auf Habsburg ausgerichtet. Bereits 1761 wurde mit Karl Alexander von Lothringen wieder ein Mitglied der habsburgischen Familie durchgesetzt.

Karl Alexander von Lothringen

‹26› Nach dem Wittelsbacher Zwischenspiel folgte Karl Alexander von Lothringen für das Haus Habsburg als Hochmeister nach. Dieser ist zwar nach dem Adelsrecht kein Mitglied der Familie Habsburg, soll im Folgenden jedoch den habsburgischen Parteigängern zugerechnet werden. Vor seiner Zeit als Hochmeister war er bereits eng mit dem Erzhaus verbunden, da er unter anderem Schwager Maria Theresias war.

‹27› 1729 wurde Karl Alexander siebzehnjährig in den Orden vom goldenen Vlies, einem Hausorden Habsburgs, aufgenommen. Er kämpfte fortan für Habsburg im Türkenkrieg (1737-39), reformierte zwischen 1747 und 1749 die österreichische Armee und verlor 1757 die Schlacht von Leuthen gegen Friedrich II. von Preußen, nachdem ihm zur Würdigung seiner erfolgreichen Gefechte in Moys und Breslau der Maria-Theresien-Orden verliehen worden war. Im Jahre 1744 heiratete er die Erzherzogin Maria Anna von Österreich, die jedoch im Kindbett verstarb. Seit dieser Zeit administrierte er die habsburgischen Niederlande. 1761 konnte sich Karl Alexander als Kandidat für die Meisterwürde durchsetzen, da der Papst ihn bezüglich seiner nichtdeutschen Vorfahren dispensiert hatte. So konnte er in den Orden aufgenommen werden, obwohl er nicht den erforderlichen ‚deutschen‘ Stammbaum mitbrachte.

‹28› Bereits zu Beginn seiner Meisterschaft wurde deutlich, dass Karl Alexander sich weiterhin eng an das Erzhaus gebunden sah. Auch er verzichtete nicht auf die Statthalterschaft der Niederlande und residierte nach seiner Wahl zum Hoch- und Deutschmeister weiterhin in Brüssel. Das Erlangen der Hochmeisterwürde galt ihm als ein „désir plus ou moins secret [...] de se procurer une «souverainet黓41).

‹29› Gemäß der Ordensstatuten musste er aus dem Orden vom goldenen Vlies austreten, da der Orden keine Mitgliedschaften in anderen Orden erlaubte, sowie den ihm verliehen Maria-Theresien-Orden zurückgeben. Gerade der Verlust des letztgenannten Ordens schmerzte ihn sehr.42) Die Vereinbarkeit der Mitgliedschaft im Deutschen Orden beschäftigte die Deutschen Herren in der Meisterschaft Karl Alexanders gleich mehrfach, da auch Graf Walpot von Bassenheim43) noch weitere Ehrentitel mit dem Deutschen Kreuz vereinbaren wollte.44) Die hierum entstandene Diskussion zeigt das inzwischen geringere Ansehen der Deutschmeisterwürde, die den Zeitgenossen mehr eine Ehre als Lebensaufgabe war.

‹30› Karl Alexander befolgte bezüglich der zweijährlichen Kapitel die von Leopold Wilhelm erlassenen Statuten. Nur gegen Ende seiner Regentschaft überlegte er, die kostspieligen Versammlungen unregelmäßiger stattfinden zu lassen, um die Ordenskasse zu schonen. Nach den weitreichenden Gebietsveränderungen war es auch Karl Alexander, der, nach Ordensstatut selbst als nichtdeutsch eingestuft, festlegen ließ, welche Landschaften in Zukunft für den Orden als deutsch zu betrachten seien. Hierbei wurde festgelegt dass:

‹31› alle zur Zeit noch wirklich zum Reich und den Reichskreisen gehörenden oder doch zur Zeit Kaiser Karl V dem Deutschen Reiche einverleibt gewesenen, seitdem aber demselben gewaltsam entrissenen Provinzen, wie Elsaß, die Grafschaft Burgund, und ein Theil des Burgundischen Kreises auch ferner für den Orden als Deutsche Provinzen gelten [sollen].45)

‹31› Hierdurch war nicht nur verbindlich festgeschrieben worden, was dem Orden als deutsch zu gelten hatte; ebenso waren die Gebietsansprüche des Ordens, vor allem im Elsaß noch einmal erneuert worden. Bezüglich des Eintrittes in den Orden wollte man wie bereits zuvor toleranter sein.

‹32› Es erging nämlich die Bestimmung:

‹33› Wenn ein ausländischer, altadeliger, geburts- und stiftsmäßiger Ritter auf seine Kosten eine oder mehre Besitzungen dem Orden wieder zueignen oder eine neue Komthurei begründen wolle, so wolle man ihm nicht nur die dazu dienlichen Documente und nöthige Vollmacht an die Hand bieten, sondern ihn auch wegen seines nichtdeutschen Geblüts nach Kapitelschluss dispensieren und mit dem Kreuze begnadigen.46)

‹34› In dieser Zeit zeigt sich deutlich die Bestrebung des Ordens, zu alter Stärke zurückzufinden und die verlorenen Gebiete zu restituieren. Ein starker Deutscher Orden wäre in der damaligen Situation von großem Nutzen für verschiedene Seiten gewesen. Der Orden selbst hätte nicht weiter um seine finanzielle Existenz bangen müssen, da ihm potentiell ertragreiche Gebiete hinzugefügt oder wieder angefügt worden wären. Für das Reich wäre ein starker Orden ein schlagkräftiger Partner im Kampf gegen die Türken gewesen und hätte für das Haus Habsburg eine Ausdehnung seines Einflussgebietes bedeutet, da es Gebiete, die dem Orden angefügt wurden, indirekt mit beeinflussen konnte. Es folgte eine lange Zeit, in der die Deutschmeister wieder unter einem habsburgischen Hochmeister dienen sollten.

‹35› Als Nachfolger setzte Karl Alexander seinen Neffen Maximilian Franz durch. Ein Hauptargument des Kapitels war hier aufgrund der immer noch sehr knappen Kassenlage, dass Maximilian Franz ein eigenes Auskommen hatte, wodurch die Ordenskasse geschont werden würde. Die Kontinuität der Hochmeisterwürde in habsburgischer Hand war hiermit weiter gesichert.47)

‹36› Ungeachtet der Tatsache, dass Karl Alexander die Verwaltung der Niederlande für Habsburg als seine Hauptaufgabe zu begreifen schien und er fern der hochmeisterlichen Residenz lebte, gelang es ihm, die Finanzen des Ordens zu sanieren. Weiterhin erneuerte er die Gebietsansprüche des Ordens in Preußen, Livland und am Mittelmeer, deren Durchsetzung den Orden enorm gefestigt hätte.48) Jedoch sind auch diese Forderungen im Kontext der habsburgischen Hauspolitik zu sehen. Durch eine Rekuperation der Mittelmeergebiete wäre zwangsläufig die spanische Linie Habsburgs gestärkt worden. Eine Wiederherstellung des alten Ordensstaates hätte eine erhebliche Schwächung des Geschlechts Hohenzollern bedeutet, in welchem Habsburg spätestens seit dem Siebenjährigen Krieg einen ernstzunehmenden Gegner sah. Es dürfte zwar allen Beteiligten gewiss gewesen sein, dass diese Ansprüche zur damaligen Zeit nicht durchzusetzen waren, der Verzicht auf eine Erneuerung wäre jedoch einem Verzicht auf alle Zeit gleich gekommen. Doch weder konnte der Orden auf die Gebiete im ehemaligen Ordensstaat verzichten, noch wollte er dies. Aber auch für Karl Alexander hätte dieser diplomatische Sieg über den militärischen Sieger von Leuthen sicher eine Genugtuung dargestellt.

‹37› Auch strukturell wandelte sich der Orden unter den beiden beschriebenen Hochmeistern stark. Nach der Verschmelzung des Deutschmeistertums mit der Hochmeisterwürde und der Verlegung der Hochmeisterresidenz nach Mergentheim begannen sich die Ballei Franken und das Meistertum immer weiter ineinander zu verweben. Die fränkische Ballei war mit Abstand die finanzkräftigste des Ordens. Durch die geographischen Gegebenheiten wurde es daher immer selbstverständlicher, dass der Hochmeister in fränkischen Belangen ein größeres Mitspracherecht als in den übrigen Balleien erlangte. Dieser Umstand kam der habsburgischen Politik in Zeiten eines Hochmeisters aus eigenem Hause sehr zugute, da sie so auch die Geschicke der Ballei Franken, die geradezu an der Pforte des Wittelsbacher Konkurrenten lag, mitbeeinflussen konnte. Durch die Wittelsbacher Hochmeister, welche Karl Alexander unmittelbar vorangingen, war hier erneut ins Bewusstsein getreten, dass Franken nicht den Kammerballeien zugehörte und so nicht unmittelbar dem Einfluss des Hochmeisters unterstand. So musste Karl Alexander also seine Einflussmöglichkeiten, wollte er sie behalten, gegen größeren Widerstand geltend machen.

‹38› Da die Ballei sich nun aber wieder dem habsburgischen Interesse fügen sollte, unterdrückte Karl Alexander das immer wiederkehrende Begehren der fränkischen Rathsgebietiger, statt einer Kuriatsstimme eine Virilstimme zugestanden zu bekommen, was er damit begründete, dass auch die preußischen Gebiete nie einen Vorrang vor denen im Reich genossen hätten.49) Dies führte zu enormen Konflikten mit dem fränkischen Landkomtur Friedrich Karl Freiherr von Eyb.50) Hieran zeigt sich deutlich ein Bewusstsein für die habsburgische Dominanz im Orden, welche nicht immer widerstandslos hingenommen wurde.

‹39› Allgemein war Karl Alexander ein aktiverer Hochmeister als Leopold Wilhelm, der sich auch um direkte Ordensangelegenheiten kümmerte. Durch die Sanierung der Ordenskasse und die Erneuerung von Gebietsansprüchen schaffte er die Voraussetzung für einen handlungsfähigen Orden. Doch gerade seine Residenz in Brüssel zeigt, dass ihm der Orden nicht die höchste seiner Aufgaben war. Des weiteren widmete er sich seiner Aufgabe in den Österreichischen Niederlande, die er in der Verwaltung vollständig von der des Ordens trennte51), mit solcher Hingabe, dass er bis heute als einer der fähigsten und beim niederländischen Volk beliebtesten Statthalter gilt. Das niederländische Volk errichtete ihm ein Denkmal mit der Aufschrift „Optimo principi“.52) Als Hochmeister des deutschen Ordens jedoch wird er nur wenig rezipiert. Ihm war zwar am Wohl des Ordens gelegen, hauptsächlich aber, weil dieser sich hervorragend im Interesse des Erzhauses verwenden ließ. Die bereits aufgezeigten Besitzansprüche ließen sich gut in die habsburgische Politik eingliedern. Darüber hinaus war der Orden ein willkommener Helfer gegen die drückende Türkengefahr. Durch den Oberbefehl über das deutschmeisterliche Infanterieregiment konnte Karl Alexander sich daher noch aktiver im Sinne des Erzhauses verwenden, auch in Fällen, in denen das kaiserliche und habsburgische Interesse nicht vollkommen deckungsgleich waren.

‹40› Auch die offizielle Geschichtsschreibung des Deutschen Ordens der Neuzeit behandelt Karl Alexander als einen würdigen Hochmeister, der etwas unauffälliger war als seine Vorgänger und Nachfolger und sich vor allem in Sparsamkeit übte. Jedoch lässt sich auch von dieser Seite kein Beleg finden, dass Karl Alexander das Gedeihen des Ordens über die Interessen des Erzhauses gestellt hätte.53)

Fazit: War der Deutsche Orden bereits im 17. und 18. Jahrhundert ein Hausorden Habsburgs?

‹41› Seit dem habsburgischen Hochmeister Maximilian „dem Deutschmeister“ (im Amt von 1590 bis 1618) ist im Deutschen Orden eine Dominanz des Hauses Österreich festzustellen. Von diesem Zeitpunkt an gelang es dem österreichische Haus, fast ununterbrochen den Hochmeister des Ordens zu stellen. Die hier exemplarisch untersuchten Hochmeister Leopold Wilhelm und Karl Alexander wurden jedoch nicht nur ‚für Habsburg‘ Hochmeister, sie versuchten auch stets, sich und den Orden im Sinne des Erzhauses zu verwenden. Beide waren Generäle der erzherzoglichen Armee und verwalteten für das Haus die österreichischen Niederlande. Beide sahen den Orden mehr als eine ihrer vielen Verpflichtungen und besuchten die Zentrale des Ordens nur selten. Keiner von beiden residierte in Mergentheim. Doch sobald der Orden, vor allem in militärischen Dingen, für Habsburg nützlich wurde, setzten sie diesen im Interesse des Erzhauses ein. Dies geschah meist im Kampf gegen die Osmanen zum Schutz der erzherzoglichen Erblande. Auf diese Weise konnten die Interessen Habsburgs gewahrt werden, ohne sich mit denen des Ordens direkt zu überwerfen. Die zahlreichen Einflussmöglichkeiten, welche sich einem „Hochmeister des Ordens der Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem“ bot, waren nicht nur zahlreich, sondern auch attraktiv für das Haus Habsburg und den konkreten Amtsträger. Gerade Karl Alexander konnte so seine Möglichkeiten ausbauen und sich stark im Interesse des Erzhauses verwenden.

‹42› Hierbei lässt sich folgende Tendenz erkennen: Habsburg gelang es über lange Zeit im Deutschen Orden das Führungspersonal zu bestimmen und auch auf lokaler Ebene eine (vor allem in den südlichen Balleien) auf Habsburg ausgerichtete Politik durchzusetzen. Die ‘installierten’ Persönlichkeiten waren stets bemüht, sich im Sinne ihres Hauses zu verwenden, und stellen diese Aufgabe über das Wohl des ihnen anvertrauten Ordens. Hierbei halfen ihnen die dem Orden nach der Trikonfessionalisierung und dem Verlust des Ordensstaates verbliebenen Mittel und Territorien, die sie jedoch gut und sparsam verwalten mussten. Höchste Priorität hatte in ihrem Handeln jedoch die habsburgische Politik.

‹43› So lässt sich also der Deutsche Orden, nachdem er sich bereits im Mittelalter eng an das Haus der Staufer angelehnt hatte, mit dem Meistertums Maximilians (1590-1618), spätestens jedoch mit dem Hochmeister Leopold Wilhelm als Hausorden des Hauses Österreichs bezeichnen. Der erst 1805 geschlossene Frieden von Preßburg legte zwar dieses Verhältnis erstmals rechtlich fundiert fest, beschrieb aber nur eine de facto längst offenkundig gewordene und etablierte Abhängigkeit.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen

Der Friede von Preßburg, zitiert nach Kletke, G. M.: Die Staats-Verträge des Königreichs Bayern in Bezug auf Justiz-, Polizei-, Administrations-, Territorial- u. Grenz-; Bundes-, Kirchen-, Militär-, Handels-, Schifffahrt-, Post-, Eisenbahn-, Telegraphen- und Münz-Angelegenheiten: von 1806 bis einschließlich 1858. Regensburg 1860.

Wappenschilde in der Pfarrkirche zu Mergentheim (Wappen der Hochmeister) 1190-1834; Geschenk des Herzogs Ulrich von Württemberg an Erzherzog Eugen, April 1907 (großes Wappen). Wien DOZA HS 385.

Literatur

Arnold, Udo: Der Deutsche Orden – ein staufischer Hausorden? In: Arnold, Udo (Hrsg.): Der Deutsche Orden in Europa. Göppingen 2004 (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst Band 23), S. 10–28.

Arnold, Udo: Der Hochmeister des Deutschen Ordens In: Arnold, Udo (Hrsg.): Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190 – 1994. Marburg 1998; (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens Bd. 6), S. 1–4. (Zitiert als Arnold: Hochmeister).

Arnold, Udo: Weinbau und Weinhandel des Deutschen Orden im Mittelalter. In: Arnold, Udo (Hrsg.): Zur Wirtschaftsentwicklung des Deutschen Ordens im Mittelalter, Marburg 1989 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens). (Zitiert als Arnold: Weinbau).

Biskup, Marian: Wendepunkte der Deutschordensgeschichte. In: Arnold, Udo (Hrsg.): Beiträge 1. Marburg 1986 (Beiträge zur Geschichte des Deutschen Ordens Bd. 36). (Zitiert als Biskup: Wendepunkte).

Demel, Bernhard: Der Deutsche Orden zwischen Bauernkrieg (1525) und Napoleon (1809). Ein Beitrag zur neuzeitlichen Ordensgeschichte. In: Arnold, Udo (Hrsg.): Von Akkon bis Wien. Studien zur Deutschordensgeschichte vom 13. bis zum 20. Jahrhundert. Marburg 1978 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens Bd. 20). (Zitiert als Demel: Bauernkrieg).

Demel, Bernhard: Leopold Wilhelm von Österreich (1642 – 1662). In: Arnold, Udo (Hrsg.): Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190 – 1994. Marburg 1998 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens Bd. 6), S. 214–226. (Zitiert als Demel: Leopold Wilhelm).

Demel, Bernhard: Karl Alexander von Lothringen als Hoch- und Deutschmeister. In: Duerloo, Luc: Karl Alexander von Lothringen. Mensch, Feldherr, Hochmeister. Bilzen- Rijkhoven 1987, (Europalia Bd. 87 Österreich), S. 43–54. (Zitiert als Demel: Karl Alexander).

Galand, Michèle: Charles de Lorraine, Gouverneur général des Pays-Bas autrichiens (1744–1780). Brüssel 1993.

Hofmann, Hans Hubert: Der Staat des Deutschmeisters. München 1964, (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte Band III). (Zitiert als Hofmann: Staat).

Lüken, Sven: Kaiser Maximilian I. und seine Ehrenpforte. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 61, (1998), S. 449–490. (Zitiert als Lüken: Ehrenpforte).

Militzer, Klaus: Die Geschichte des Deutschen Ordens. Stuttgart 2005 (Zitiert als Militzer: Geschichte).

Sarnowsky, Jürgen: Der Deutsche Orden: Entwicklung und Strukturen im Mittelalter (Vortrag auf der Jahrestagung der Gesellschaft der Freunde der Technischen Hochschule Danzig in Wernigerode, 6. Okt. 1993), o.O., o.J. [1996], in: URL: http://www1.uni-hamburg.de/Landesforschung/Literatur/Entwicklung1.htm (abgerufen am 23.5. 2012). (Zitiert als Sarnowsky: Entwicklungen).

Schreiber, Renate: Erzherzog Leopold Wilhelm. Bischof und Feldherr, Statthalter und Kunstsammler. Studien zu seiner Biographie. Dissertation, Wien 2001. (Zitiert als Schreiber: Bischof und Feldherr).

Vocelka, Karl/Heller, Lynne: Die Lebenswelt der Habsburger. Kultur- und Mentalitätsgeschichte einer Familie. Graz [u.a.] 1997. (Zitiert als Vocelka: Lebenswelt).

Vocelka, Karl/Heller, Lynne: Die private Welt der Habsburger. Leben und Alltag einer Familie. Graz [u.a.] 1998. (Zitiert als: Vocelka: Private Welt der Habsburger).

Vocelka, Karl: Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen. Politik – Kultur – Mentalität. Wien 2010. (Zitiert als Vocelka: Habsburg).

Voigt, Johannes. Geschichte des Deutschen Ritterordens in seinen zwölf Balleien in Deutschland Band II, Berlin 1859. (Zitiert als Voigt II).

Wurzbach, Constantin von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich : enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben, Wien 1891. Bd. 6.

Fußnoten

  1. Der Friede von Preßburg, Artikel 12 zitiert nach Kletke, G. M.: Die Staats-Verträge des Königreichs Bayern in Bezug auf Justiz-, Polizei-, Administrations-, Territorial- u. Grenz-; Bundes-, Kirchen-, Militär-, Handels-, Schifffahrt-, Post-, Eisenbahn-, Telegraphen- und Münz-Angelegenheiten: von 1806 bis einschließlich 1858. Regensburg 1860. »
  2. Siehe hierzu: Arnold, Udo: Der Deutsche Orden – ein staufischer Hausorden? In: Arnold, Udo (Hrsg.): Der Deutsche Orden in Europa. Göppingen 2004. »
  3. Sarnowsky, Jürgen: Der Deutsche Orden. München 2007, S. 93. »
  4. Zur Gründungsgeschichte des Ordens siehe Sarnowsky, Jürgen: Der Deutsche Orden, München 2007. »
  5. Zwar wurde die von Militzer:Akkon, S.137 beschriebene Siegelübergabe später durch die oft sehr frühe Wahl eines Koadjutors abgelöst, in der Regel hatten die Gewählten das Amt aber bis zu ihrem Lebensende inne. »
  6. Arnold, Udo: Der Hochmeister des Deutschen Ordens In: Arnold, Udo (Hrsg.): Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190 – 1994. Marburg 1998, S. 1. »
  7. Vgl. Arnold: Hochmeister, S.1. »
  8. Arnold, Udo: Weinbau und Weinhandel des Deutschen Orden im Mittelalter. In: Arnold, Udo (Hrsg.):Zur Wirtschaftsentwicklung des Deutschen Ordens im Mittelalter, Marburg 1989, S. 95f. »
  9. Die Gründe hierfür sind bei den Kammerballeien Koblenz und Elsaß-Burgund unter anderem in deren reichen Weinhandel zu suchen. »
  10. Militzer, Klaus: Die Geschichte des Deutschen Ordens. Stuttgart 2005, S. 132. »
  11. Vgl. Sarnowksy: Deutscher Orden, S. 110. »
  12. Biskup, Marian: Wendepunkte der Deutschordensgeschichte. In: Arnold, Udo (Hrsg.): Beiträge 1. Marburg 1986, S. 15. »
  13. Vgl. Sarnowsky, Jürgen: Der Deutsche Orden: Entwicklung und Strukturen im Mittelalter (Vortrag auf der Jahrestagung der Gesellschaft der Freunde der Technischen Hochschule Danzig in Wernigerode, 6. Okt. 1993), o. O., o. J. [1996]. »
  14. Demel, Bernhard: Der Deutsche Orden zwischen Bauernkrieg (1525) und Napoleon (1809). Ein Beitrag zur neuzeitlichen Ordensgeschichte. In: Arnold, Udo (Hrsg.): Von Akkon bis Wien. Studien zur Deutschordensgeschichte vom 13. bis zum 20. Jahrhundert, S. 195. »
  15. Dies meint im folgenden den österreichischen Zweig des Hauses Habsburg. »
  16. Vocelka, Karl/Heller, Lynne: Die private Welt der Habsburger. Leben und Alltag einer Familie. Graz [u.a.] 1998, S. 13. »
  17. Vgl. Vocelka: Private Welt der Habsburger, S. 235–262. »
  18. Vocelka: Private Welt der Habsburger, S. 235. »
  19. Vocelka: Private Welt der Habsburger, S. 235ff. »
  20. Lüken, Sven: Kaiser Maximilian I. und seine Ehrenpforte. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 61, (1998), S. 451. »
  21. Vocelka, Karl: Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen. Politik – Kultur – Mentalität. Wien 2010, S. 141. »
  22. Vocelka: Habsburg, S. 141. »
  23. Vocelka: Habsburg, S. 142. »
  24. Vocelka: Habsburg, S. 142. »
  25. Vocelka, Karl/Heller, Lynne: Die Lebenswelt der Habsburger. Kultur- und Mentalitätsgeschichte einer Familie. Graz [u.a.] 1997, S. 121. »
  26. Vocelka: Private Welt der Habsburger, S. 238. »
  27. Das im Zusammenhang mit ihm am meisten rezepierte Bild dürfte ‚Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Galerie in Brüssel‘ des niederländischen Malers David Teniers dem Jüngeren sein.  »
  28. Demel, Bernhard: Leopold Wilhelm von Österreich (1642–1662). In: Arnold, Udo (Hrsg.): Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190–1994. Marburg 1998, S. 215. »
  29. Voigt, Johannes. Geschichte des Deutschen Ritterordens in seinen zwölf Balleien in Deutschland Band II, Berlin 1859, S. 344 begründet dies mit der ständigen Kriegsgefahr, jedoch wäre ein besser umsorgter Orden sicher für Kaiser und Reich schlagkräftiger einsetzbar gewesen. »
  30. Vgl. Demel: Leopold Wilhelm, S. 220. »
  31. Vgl. Vocelka: Private Welt der Habsburger, S. 249. »
  32. Hofmann, Hans Hubert: Der Staat des Deutschmeisters. München 1964, S. 257. »
  33. Schreiber, Renate: Erzherzog Leopold Wilhelm. Bischof und Feldherr, Statthalter und Kunstsammler. Studien zu seiner Biographie, S. 153. »
  34. Demel: Leopold Wilhelm, S. 217. »
  35. Vgl. Voigt: II, S. 347. »
  36. Vgl. Voigt: II, S. 358. »
  37. Schreiber: Bischof und Feldherr, S. 167. »
  38. Demel: Leopold Wilhelm, S. 218. »
  39. Voigt II; S. 370. »
  40. Vgl. Schreiber: Bischof und Feldherr, S. 150. »
  41. Galand, Michèle: Charles de Lorraine, Gouverneur général des Pays-Bas autrichiens (1744 – 1780). Brüssel 1993, S. 22. »
  42. Vgl. Demel: Karl Alexander, S. 258. »
  43. Johann Maria Rudolf Graf Waldbott von Bassenheim (1731-1805), Reichskammergerichtspräsident und Kaiserlich-Königlicher Geheimer Rat.  »
  44. Vgl. Voigt II, S. 518. »
  45. Voigt II, S. 501. »
  46. Voigt II, S. 498f. »
  47. Vgl. Hofmann: Staat, S. 303. »
  48. ofmann nennt S. 295 Böhmen, Ungarn und die welschen Lande als zu rekuperierende Gebiete, die mit Gottes Fügung zum Orden zurückkommen sollten. Ausdrücklich verneint er Ansprüche auf Preußen, aufgrund des Hubertusburger Friedens. Doch gerade deshalb ist Arnolds Auflistung hier wahrscheinlicher, da so das Erzhaus ohne selbst Fordernder zu sein Ansprüche gegen Preussen geltend machen konnte. »
  49. Voigt II, S. 499. »
  50. Hierzu Voigt II, S. 501–504. »
  51. Vgl Galand: Charles de Lorraine, S. 22. »
  52. Vgl. Wurzbach, Constantin von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich: enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben , Wien 1891, Bd.6, S. 387. »
  53. Hierzu Demel: Karl Alexander. »
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Frank Hüther ist Studierender der Geschichte und Philosophie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Studiengang Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien.

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Frank Hüther: Der Deutsche Orden im 17.und 18. Jahrhundert. Ein Hausorden Habsburgs?, in: Skriptum 3 (2013), Nr. 1, URN: urn:nbn:de:0289-2013051768, Abs. XY [Datum des Zugriffes].